Der Tempel von Edfu
Die Stadt Edfu liegt auf halber Strecke zwischen Luxor und Assuan am Westufer des Nils, etwa 100 km südlich von Luxor. In den alten hieroglyphischen Inschriften wird die Stadt in eher religiösen Texten “Behedet” oder “Neset-Netjeru” d.h. “Thron der Götter” genannt.
Der Horus-Tempel war bis zu seiner Freilegung im Jahre 1860 zum Teil unter Schutt und Sand verborgen. So geschützt, überlebte dieser Tempel die Jahrhunderte in einem guten Erhaltungszustand. Deshalb gehört der rund zweitausend Jahre alte Horustempel in Edfu zu den besterhaltenen Tempeln Ägyptens und ist insbesondere wegen seiner komplett erhaltenen Überdachung und seines klassischen Ideal-Grundrisses eine herausragende Sehenswürdigkeit.
Gebaut wurde an dieser Tempelanlage ca. 180 Jahre lang während der Ptolemäerzeit. Die Ptolemäerzeit in Ägypten war von 323 bis 30 v.Chr. Ptolemaios III. (Euergetes I.) began mit dem Bau 237 v.Chr. und das Bauende kam aber erst mit den Reliefs auf dem Pylon, die Ptolemaios XII. (Neos Dionysos) 57 v. Chr. abschließend hinzufügte.
Der Edfu-Tempel war dem falkengestaltigen Gott Horus geweiht. Verehrt wurden in dieser Anlage, neben Horus, auch seine Gemahlin, die Hathor von Dendera und Hor-sma-taui, der gemeinsame Sohn von Hathor und Horus.
Als prominenter Kultort des Gottes Horus war der Edfu Tempel ein landesweit wichtiges Heiligtum. Hier soll, der ägyptischen Mythologie nach, der falkenköpfige Horus einen Kampf gegen seinen Widersacher Seth bestanden haben. Diese Horus-Seth-Konstellation, Gut gegen Böse, Ordnung gegen Chaos, ist eine zentrale Denkfigur der altägyptischen Religion und Mythologie.
Ursprünglich war der Tempel komplett von einer Ziegelmauer umgeben, die heute noch teilweise erhalten ist. Diese Ziegelumwallung umfasste einen Heiligen See, Stallungen, Vorratsspeicher, Küchen und Priester- und Verwaltungsgebäude.
Im Vorfeld des Haupttempels steht ein weiteres kleines Heiligtum, das sogenannte Mammisi. Ein Mammisi ist ein kultisches Geburtshaus, indem die Mysterien um die Geburt des Götterkindes begangen wurden und zudem die Geburt eines neuen Königs (der ja eine Verkörperung des Horus war) und somit die Wiederbelebung des Königtums zelebriert wurde. Die Reliefs an der äußeren Längswand sind noch farbig gut erhalten. Ptolemaios VII. ließ dieses Mammisi errichten. Die Innenwände zeigen den üblichen Reliefzyklus (=Kreislauf), der die Geburt des Götterkindes schildert.”
Der Tempel misst in etwa 137 m in der Länge von Süd nach Nord und 79-80 m in der Breite. Der Eingangspylon ist ca. 36 m hoch. In seiner Form und in seinem Grundriss entspricht er dem klassischen Ideal-Schema eines ägyptischen Tempels. Seine Fassade war mit vier Flaggenmasten versehen. Das Innere des Pylons besitzt ein System von Treppen und Kammern, die ihr Licht durch Schlitze in der Fassade erhalten. Der Eingang zu den Treppen ist auf der Rückseite im Innenhof.
Der Pylon ist das eigentliche Eingangstor zum Tempel. Auf den Fronten beider Tortürme ist der König Ptolemaios XII. Neos Dionysos dargestellt, wie er vor den Gottheiten Horus und Hathor die unterworfenen Feinde rituell erschlägt. Hier wird auf ein uraltes Motiv zurückgegriffen, das an den Außenfassaden vieler Tempel zu finden ist.
Vor dem Pylon stehen rechts und links zwei streng blickende Horusfalken aus schwarzem Granit als Wächter. Der Falke galt als der Beschützer des Pharaos, der ihn auf Erden verkörperte. Das große Tor war einst mit Türflügeln aus Zedernholz versehen. Die Türflügel waren 14 Meter hoch und 30 cm dick.
Der große Kolonnadenhof mit reich verzierten Kompositkapitellsäulen befindet sich hinter dem Pylon. Die Kompositkapitelle haben unterschiedliche Formen. Die runden Säulenschäfte tragen Kapitelle in Form einer Palme oder eines Lotusblütenkelches. Zwei gleiche stehen nie nebeneinander, sich aber stets gegenüber. Die Säulen des Hofes und die Wandflächen dahinter sind mit Reliefs versehen, die meist Opfer- und Kulthandlungen Pharaos vor den Göttern zeigen. Bei den Königsdarstellungen handelt es sich je nach Szene entweder um Ptolemaios IX. Soter II. oder Ptolemaios X. Alexander I. Hier feierte man die Ankunft und Abfahrt der Göttin Hathor, der Herrin von Dendera, die hierher reiste, um ihre Hochzeit mit Horus von Edfu zu feiern.
An der Rückseite des Hofes erhebt sich die Fassade der Vorhalle mit 6 Frontsäulen. Diese Fassade ist 34 m breit und 12,5 m hoch. Sie ist mit Reliefs des Königs Ptolemaios VIII. Euergetes II. verziert und zeigt den König bei seinen Kulthandlungen vor Horus. Wie beim Pylon, bewachen zwei Horusfalken Figuren aus Granit den Eingang; einer ist jedoch umgestürzt.
Die Vorhalle (Pronaos) selbst wird von zwölf Säulen getragen. Die schwarze Farbe an der Decke entstand durch Ruß und rührt vermutlich aus koptischer Zeit, als der Tempel entweiht und als Wohn- und Kochstätte genutzt wurde. Rechts und links des Eingangs sind zwei kleine Kapellen in die Wand hineingebaut, von denen die rechte (westliche) eine Weihekapelle und die rechte (östliche) eine kleine Bibliothek war.
Hiernach folgt ein Säulensaal mit 12 Säulen. Kleine Lichtschlitze an den Wänden und Lichtschächte in der Decke sorgen für eine natürliche Minimalbeleuchtung und lassen die Konturen der Reliefs hervortreten. Unterschiedlich ist die Beleuchtung im Innern des Tempels. Während einige Räume völlig im Dunkeln liegen, sind andere, durch Licht-Öffnungen in der Decke, im Halbdunkel. Während der Boden allmählich ansteigt, die Decken niedriger werden und die Türöffnungen enger.
An den Seiten des Säulensaals führen kleine Durchgänge zum Tempelumgang und eine Treppe zum Tempeldach. Auch von hier aus führen verschiedene Türen zu den Magazinen und einem “Laboratorium“, an dessen Wänden Rezepte für heilige Öle und Salben angeschrieben sind. Die sogenannte “Schatzkammer” befindet sich auf der rechten Seite.
Der Tempelachse folgend gelangt man in den Opfertischsaal, von dort in den Saal der Götterneunheit und weiter geradeaus in das isoliert stehende Hauptsanktuar, das ” Allerheiligste”.
Das Hauptsanktuar:
In einem 4 m hohen Schrein (Naos) aus schwarzem Granit befand sich wohl ein weiterer, Schrein aus Holz, in dem das bei Prozessionen getragene Kultbild aufbewahrt wurde. Dieser von Nektanebos II. im Allerheiligsten aufgestellte Naos gilt als der älteste Bestandteil des Tempels. Vor dem Naos standen einst auf Sockeln die heiligen Barken des Horus und der Hathor; heute befindet sich dort der Nachbau einer Götterbarke.
Die Wandreliefs im Hauptsanktuar zeigen erneut den Pharao bei seinen Kulthandlungen. Hier ist es Ptolemaios IV. Philopator. Im unteren Bildregister rechts sieht man den König, wie er den Verschluss der Horuskapelle und die Kapellentür öffnet, wie er vor seinen vergöttlichten Eltern Ptolemaios III. Euergetes I. und Berenike sowie schließlich vor der heiligen Barke der Göttin Hathor ein Rauchopfer darbringt.
Das Hauptsanktuar ist von einem Umgang umgeben, von dem neun weitere Räume/Kapellen abgehen. Links/Westseite befinden sich:
die Kapelle des Min, der Raum für die heiligen Stoffe, die Kapelle der Neunheit,
und die Kapelle des Osiris.
Auf der nördlichen Rückseite:
die Kapelle des Sokaris, die Kapelle des Horus und die Kapelle des Chons.
Die Ostseite/rechts schließt an mit den Kapellen für Re-Horus und Mehyt.
Die Türe in der Ostwand des Saales der Götterneunheit führt in den Neujahrsfesthof und die „reine Kultstätte“, das Wabet, einen erhöhten und an der Front mit Schranken und schönen Kompositsäulen geschlossenen Raum. Hier wurde am Abend vor Neujahr das Kultbild des Horus gekrönt und auf die Zeremonien am Neujahrstag vorbereitet. Von hier aus wurden die Kultbilder in einer Prozession in Tragschreinen das Treppenhaus hinauf auf das Tempeldach und zur Dachkapelle getragen. Über die Westtreppe kehrte die Prozession in den Tempel zurück
In den inneren Umgang des Tempels kann man von der großen Säulenhalle gelangen, der zwischen der Fassade des Kernbaus und der Umfassungsmauer des Tempels entlangführt.
Vom östlichen Tempelumgang führt eine unterirdische Treppe zum sogenannten Nilometer, zum Nilmesser, an dem früher die Höhe der Nilflut gemessen wurde. Solche Messeinrichtungen gab es an vielen Tempeln und Heiligtümern
Die Beschriftung der Wandflächen ist gut erhalten. Diese Inschriften des Edfu-Tempels sind für die Philologie von großer Bedeutung, da sie zu den größten zusammenhängenden Sammlungen von hieroglyphischen Texten der Griechisch-Römischen Zeit gehören.
Dieser Umgang ist wegen einiger besonderer Reliefdarstellungen recht interessant:
* Gut erhaltene Reliefs an der westlichen Wand im inneren Umgang des Tempels zeigen den Triumph des “Guten über das Böse”, den Kampf gegen Seth, dem Mörder von Osiris, – dem Vater von Horus – und dem Gegner des Sonnengottes: Der Pharao mit einem Speer ein Nilpferd jagt, ebenso Horus, der einen Spieß zum Stoß in der Hand bereithält. In einem zweiten Bild wird schließlich der König vor zwei Nilschiffen abgebildet, auf denen Horus mit seiner Mannschaft stehen. Horus hält das Nilpferd an einer Kette und stößt den Spieß in den Kopf des Tieres. Diese und ähnliche Darstellungen schildern einen Aspekt des Kampfes zwischen Horus und Seth. Die Einbeziehung des Königs in dieses Geschehen gibt Sinn, weil Pharao als eine Verkörperung des Gottes Horus angesehen wurde. Eine Aufführung dieses “Spektakels des Götterkampfes” inszenierten einst die Priester.
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